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Über den Tod nachdenken und den Sinn des Lebens finden

  • Autorenbild: Barbara Pramböck
    Barbara Pramböck
  • 13. Nov.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Nov.

Der Tod begleitet uns alle – und doch sprechen wir selten darüber. In diesem Beitrag erzähle ich, wie meine frühe Angst vor Krankheit, Sterben und Tod entstanden ist, wie ich sie Schritt für Schritt verwandeln konnte und warum die Beschäftigung mit der Endlichkeit - der November ist prädestiniert dafür - uns oft näher zu einem sinnerfüllten Leben führt.


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Ein persönlicher Anlass

Am 12.11. war der Geburtstag meines verstorbenen Schwiegervaters. Er wurde viel zu früh mitten aus dem Leben gerissen. Er war auch der erste Mensch, den ich als Toten sehen durfte.


Ich schreibe bewusst „durfte“, weil ich mich von meinem Großvater so gerne verabschiedet hätte. Doch damals war man der Meinung, dass das nicht gut für Kinder sei. Ich war zehn Jahre alt. Als die Mutter meines Vaters zwei Jahre später starb, traute ich mich dann nicht mehr. Die Angst vor dem Tod, dem Anblick eines Toten, dem Sterben war zu groß.


Niemand sprach damals wirklich mit mir über den Tod. Obwohl ich schon eine Vorstellung davon hatte, war vieles unheimlich. Mein Großvater verschwand im Krankenhaus, danach gab es den Sarg, die Feuerbestattung, die Urne – und meine Mutter und Großmutter, die mit rotgeweinten Augen versicherten, dass alles in Ordnung wäre.


In meinem Tagebuch schrieb ich, dass ich nicht wusste, ob sie nur für mich fröhlich taten. Ihre Trauer fand ohne mich statt – ein liebevoller Schutz, aber Kinder spüren trotzdem, wenn etwas nicht stimmt.


Diese Angst vor Krankheit, Sterben und Tod begleitete mich viele Jahre in Form eine Angsterkrankung. Die Angst hatte natürlich nicht in diesem Erlebnis ihren Ursprung, sondern viele Faktoren haben sie begünstigt. Allerdings war der Tod meines Großvaters die erste reale Begegnung mit schwerer Krankheit und Tod.


Wie ich die Angst verwandeln konnte

Vorausschickend sei gesagt, dass eine gewisse Angst vor dem Tod ganz natürlich ist. Seit Jahrtausenden beschäftigen sich Denker mit dem, was der Psychiater, Psychotherapeut und Autor Irvin D. Yalom "die Wunde der Sterblichkeit" nennt. Schon im babylonischen Gilgamesch-Epos sagt der Held Gilgamesch: "... Trauer ergreift mein Herz. Ich fürchte mich vor dem Tod." Erst wenn sich die Furcht vor dem Tod in einer panischen Angst äußert, die Glück und Erfüllung zunichte macht, wird es kritisch (Yalom 2008, S. 9).


Bei mir war es kritisch. Und genau so wie die Ursprünge meiner Angst multidimensional waren, so waren es auch die Dinge, die mir halfen, sie zu verändern:


1. Psychotherapie

Hier zeigte sich, worum es eigentlich ging: mich selbst als wertvoll anzunehmen und ein Leben zu leben, das wirklich meines ist.

2. Begleitung im Pflegeheim

Während des psychotherapeutischen Propädeutikums durfte ich Menschen am Lebensende begleiten. Die unmittelbare Begegnung mit Sterben und Tod wirkte wie eine Konfrontationstherapie: Der Tod wurde natürlicher, weniger bedrohlich.

3. Bücher über Tod und Nahtoderfahrungen

Von Irvin D. Yaloms „In die Sonne schauen - Wie man die Angst vor dem Tod überwindet“ bis zu wissenschaftlich orientierten Berichten über Nahtoderlebnisse – sie zeigten mir, wie andere Menschen ihre Angst bewältigen. Und dass vielleicht das größte Abenteuer erst nach dem Tod beginnt.

4. Spiritualität

Sie öffnete mir einen Zugang zu etwas Größerem, Verbindendem.

5. Körperarbeit

Sie brachte mich zurück in meinen Körper – von einem „Feind“, den ich ständig auf Symptome abtastete, zu einem Partner, der mit mir spricht und mich unterstützt.


Das war mein ganz persönlicher Weg aus der Angst. Für jemand anderen können ganz andere Dinge wichtig sein.


Warum meine Angst so groß war

Aus heutiger Sicht war die Angst vor dem Tod eine Antwort auf ein viel tieferes Thema: das Gefühl, nicht ich selbst sein zu dürfen. Im systemischen Ansatz sind Symptome oft Lösungsversuche. Auch die Individualpsychologie fragt: Wozu dient ein Symptom?


Ein Teil meines Symptoms „diente“ wohl dem Versuch, jemand zu sein, der den Erwartungen der anderen entspricht. Und so war die Angst vor dem Sterben unbewusst verknüpft mit der Angst, nie wirklich zu leben. Nie den Sinn in meinem Leben zu finden, für den ich auf diese Erde gekommen bin.


Erst als die eigentlichen Themen in der Psychotherapie sichtbar wurden, brauchte ich dieses Symptom nicht mehr und mein Leben konnte sich in die Richtung entwickeln, die wirklich mir selbst entsprach. Das Ergebnis ist, dass ich heute nicht mehr im Marketing und in der Wirtschaft bin, sondern Menschen begleite.


Warum wir den Tod ausblenden

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum wir den Tod und das Sterben aus unserer heutigen Gesellschaft so ausschließen. Weil uns die Beschäftigung damit auf die letzten Fragen zurückwirft:


  • Was will ich wirklich?

  • Wofür lebe ich?

  • Was oder wer ist mir wichtig?

  • Welche Aufgabe hat mein Leben?


Fragen, für die in unserem hektischen Alltag oft wenig Raum bleibt.


Nicht selten braucht es erst ein einschneidendes Erlebnis – Krankheit, Kündigung, Scheidung, aber auch die Geburt eines Kindes –, um innezuhalten. Genau an solchen Übergängen kann psychosoziale Beratung begleiten, bevor aus Krisen psychische Erkrankungen werden.


Was Forschung und Therapie über Sinn sagen

Studien zeigen, dass ein sinnvolles Leben zu mehr Glück und Wohlbefinden führt, wobei gute zwischenmenschliche Beziehungen, psychische und physische Gesundheit sowie ein Gefühl des Sinns die wichtigsten Faktoren sind. Forschungsergebnisse, wie die der "Global Flourishing Study" und der Langzeitstudie der Harvard-Universität, untermauern dies und zeigen zudem, dass Glück stark von Beziehungen abhängt und dass ein Gefühl von Sinn aus individuellen Quellen wie Gemeinschaft, persönlicher Entwicklung oder Glauben schöpfen kann. 


Der berühmte Psychiater und Psychotherapeut Viktor Frankl hat den Sinn des Lebens sogar ins Zentrum seiner von ihm gegründeten Psychotherapieschule gestellt. Die Logotherapie konzentriert sich darauf, dass der Mensch einen Sinn im Leben finden muss, um auch schwere Schicksalsschläge ertragen zu können. Frankl ging davon aus, dass das Leben selbst grundsätzlich einen Sinn hat und dass dieser nicht gegeben wird, sondern gefunden werden muss. Ein wichtiger Leitspruch lautet:


„Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“

Somit liegt für Viktor Frankl der Sinn des Lebens nicht im Glück, sondern im Finden einer Aufgabe oder eines „Warum“, das über die eigene Person hinausweist. Dieser Sinn kann auf drei Arten gefunden werden: durch die Verwirklichung von Werken und Taten, durch die Erfahrung von Liebe und zwischenmenschlichen Beziehungen sowie durch die Haltung, die man gegenüber unvermeidlichem Leid einnimmt. Laut Frankl ist das Wissen um eine Aufgabe entscheidend, um Schwierigkeiten und Beschwerden zu überwinden. 


Warum der November eine Chance sein kann

Ich mag den November auch deshalb so gerne, weil er uns mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Es ist kein Zufall, dass Allerheiligen und Allerseelen und auch die älteren Ahnenfeste in diese Zeit fallen. Die Natur zieht sich zurück, die Äste der Bäume werden kahl, die Landschaft sieht tot und leer aus. Doch es ist nur ein Atemholen, bevor der Kreislauf des Lebens wieder beginnt.


Wir können den November und die dunkle Zeit selbst auch dafür nutzen, Atem zu holen vom Trubel und in der Stille der langen Nächte uns mit diesen Fragen zu beschäftigen:

  • Was ist wirklich wichtig?

  • Was gibt meinem Leben Sinn?

  • Bringt mich das, womit ich meine Zeit verbringe, meinem „Warum“ näher – oder entfernt es mich davon?


Wenn es Letzteres ist, könnte es eine gute Idee sein, ein paar Änderungen vorzunehmen. Das muss nicht gleich ein kompletter Kurswechsel sein, sondern oft können schon ein paar kleine Änderungen viel bewirken.


Wie psychosoziale Beratung unterstützen kann

In Zeiten des Innehaltens kann psychosoziale Beratung ein wertvoller Begleiter sein. Denn alleine drehen wir uns oft im Kreis. Systemische Fragen und Methoden helfen dabei, Muster zu erkennen, Perspektiven zu wechseln und die Lösungen sichtbar zu machen, die bereits in uns liegen.

Wenn du mich und meine Methoden kennenlernen möchtest, besuche mich gerne bei meiner Praxiseröffnung am 24.11. ab 17:00 Uhr in Hietzing.

 
 
 

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